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Design für die digitale Welt
Erfahrungen, Handlungsrahmen und die Kraft der Ästhetik
Woran orientieren wir uns, wenn wir digitale Produkte und Prozesse gestalten? – Gibt es Leitsätze, Richtlinien, Regeln und Normen für Designprozesse, die zu gut funktionierenden, zugänglichen und ansprechenden Ergebnissen führen? – Ein Handlungsrahmen für User Experience (UX) und Usability, der das Schöne und Wirkungsvolle im Design betont.
Design verbindet Technologie mit Ästhetik. Menschen stehen im Zentrum aller mit Design verbundener Prozesse. Für eine immer digitaler ausgerichtete Welt ist es wichtig, interaktive Systeme gleichermaßen funktional, visuell ansprechend und zugänglich zu gestalten. Wir schauen auf die Designpraxis, -theorie, -forschung und die Bedeutung visueller Grundlagen für digitale Systeme. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Frage, wie ästhetische und funktionale Prinzipien miteinander verbunden werden können, um effektive, effiziente, zufriedenstellende und ästhetische Lösungen zu gestalten.
Design ist interdisziplinär, Anforderungen ändern sich
Die Praxis des Designs hat sich mit den Anfängen digitaler Medien tiefgreifend, Methoden und Werkzeuge betreffend disruptiv verändert. Was in den 1980er Jahren mit der Programmierung einfacher Anwendungen wie Textverarbeitung und Tabellenkalkulation, Spielen wie Pong und später statischer HTML-Seiten begann, hat sich zu einer kollaborativen Disziplin entwickelt, die unterschiedlichste Expertisen im Kontext von Design und Informatik zusammenbringt. Hintergrund sind digitale Innovationen, neue Gestaltungsmethoden und die zunehmende Integration von Computern und Software in den vergangenen Jahrzehnten. Heute ist die Arbeit in interdisziplinären Teams Standard: Designer, Informatikerinnen, UX- und Usability-Spezialisten arbeiten gemeinsam an Plattformen, die sowohl technische als auch ästhetische Anforderungen erfüllen. Diese Entwicklung reflektiert den Trend zur Professionalisierung, der auch eine Gegenbewegung zur Entprofessionalisierung des Designs aufgrund leicht zugängliche Software für Layout und Bildbearbeitung ab den 1990er Jahren darstellt.
Vom visuellen Design zur User Experience
Von Intuition, Wissen und Erfahrung geleitete Entwurfsprozesse führen zu guten Designs. Theoretische Grundlagen bilden das Fundament von analogen und digitalen Designlösungen. Traditionelle Gestaltungslehren, die sich mit visuellen Konzepten wie Harmonie, Kontrast, Rhythmus und Gestaltprinzipien befassen, werden um technische und soziale Anforderungen aus Usability und User Experience erweitert. In diesen Zusammenhängen spielt Ästhetik eine besondere Rolle: Nach dem Grundsatz „Das Schöne ist das Wirkungsvolle“ unterstützt Schönheit die Funktionalität, indem sie Menschen auf besondere Weise anspricht, ihre Aufmerksamkeit lenkt und positive Emotionen erzeugt. Dabei kann Ästhetik auch bewusst nicht schön sein und beispielsweise Disharmonie zum Ziel haben. Die ästhetische Erkenntnis stellt sich auf der Basis von Wahrnehmungsmustern und Bewertungskonzepten ein, die von den ein Design betrachtenden Personen abhängen: Die Wünsche und Erfahrungen der Menschen führen zu einem ausgeprägten und oft gruppendynamischen Schönheitsempfinden.
Die Rolle von Menschen im Design digitaler Produkte
Designprozesse sind stark von den Bedürfnissen, Wünschen und Verhaltensweisen der Menschen geprägt. Das Ziel: Produkte zu schaffen, die den Menschen effektiv und zufriedenstellend dienen.Bei Designprozessen spielen alle am Designprozess beteiligten Akteure eine Rolle. Dazu zählen Entwickler, Produktmanagerinnen, Marketingexperten und die Stakeholder, also die Personen oder Gruppen, die ein Interesse am Erfolg des Produkts haben. Ihre unterschiedlichen Expertisen, Perspektiven und Erwartungen müssen in den Designprozess integriert werden.
Die Interaktion zwischen Nutzern und Produkten muss sorgfältig gestaltet werden. Nur so können digitale Produkte wirklich den Bedürfnissen der Menschen gerecht werden.
Ziel von User Experience Design ist die subjektive Zufriedenheit der Menschen, die das Design nutzen. Negative Auswirkungen auf Gesundheit, Sicherheit, Finanzen oder Umwelt, wie Stress oder Frustration durch schwer zugängliche Informationen, sollen vermieden werden.
Menschzentrierte Gestaltung erfordert die enge Zusammenarbeit aller Beteiligten, von den Designern bis hin zu den Nutzern und Stakeholdern. Ziel ist es, Produkte zu schaffen, die nicht nur funktional sind, sondern die Nutzer in ihrer gesamten Erfahrung ansprechen und gleichzeitig negative Auswirkungen auf ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden minimieren.
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Grundsätze menschzentrierter Gestaltung und Barrierefreiheit für digitale Systeme
Menschzentrierte Gestaltung (human centred design: HCD) stellt bei der Entwicklung interaktiver Systeme im Entwicklungsprojekt den Mensch in den Mittelpunkt, nicht das interaktive System. Normative Grundlagen der HCD und gesetzliche Regelungen wie das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) spielen eine wichtige Rolle für funktionale menschzentrierte Medien. Das BFSG verpflichtet ab 2025 Unternehmen, digitale Produkte und Dienstleistungen ohne besondere Erschwernis nutzbar zu machen. Die HCD-Grundsätze liefern einen Handlungsrahmen für Designprozesse digitaler Produkte. Beide Anforderungen listen sowohl technische als auch visuelle Anforderungen.
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Analyse mit visuellen Methoden
Um Designentscheidungen auf der Grundlage von Benutzerforschung und Feedback zu treffen werden, insbesondere um den HCD-Grundsätzen zwei und drei gerecht zu werden, Analysen mit visuellen Methoden genutzt. Das sind zum Beispiel semantische und syntaktische Differenziale zu fallbezogenen Fragestellungen. Solche Analysen von Design gehen von Befragungen zu visuellen Wirkungen aus. Gefragt wird nach Verbindungen zwischen elementaren Gestaltungsmitteln wie Formen, Größen und Strukturen im Abgleich mit der intendierten Wirkung auf Zielpersonen. Die Ergebnisse fließen in die Entwurfsprozesse ein.
Das Schöne und Wirkungsvolle stützt das Funktionale
Das Schöne und vor allen Dingen Wirkungsvolle im Design geht vom visuellen Aufbau, der Makrogestaltung und den grafischen Details aus. Wissenschaftlich zu fassen sind solche Wirkungen beispielsweise durch Methoden zu visueller Transgression, ausgehend von Befragungen: Was wird als schöner oder weniger schön empfunden, welche Entwurfsversion ist ansprechender, welche weniger ansprechend? – Genauso wie technische Funktionen können mit dieser Methode visuelle Wirkungen, zum Beispiel als Bestandteil der User Experience digitaler Produkte, evaluiert und Designwirkungen sukzessive verbessert werden. Ergebnisse dieser Befragungen führen zu Diskursen, die zwischen Ästhetik und Funktionalität angesiedelt sind. Visuelle Transgression beschreibt, wie grundlegende visuelle Elemente und deren bewusste Manipulation Affekte und Aufmerksamkeit erzeugen, um nachhaltige Wahrnehmungswirkungen zu erzielen. Am Ende von Designprozessen stehen bei positiver Transgression als schön empfundene und wirkungsvolle Designs.
Emotionale, kognitive und visuell-transgressive Wirkung
Visuelles wirkt auf mehreren Ebenen. Die emotionalen, kognitiven und visuell-transgressiven Designwirkungen sind nicht immer scharf voneinander zu unterscheiden, jedoch lässt sich jede für sich als eine eigene Designwirkung begreifen, die Menschen in einen Zustand der Neugier und Intensität versetzt.
Emotionale Wirkung: Sie ist der unmittelbare, oft spontane Effekt eines Designs. Hierbei handelt es sich um gefühlsbetonte Reaktionen, die durch visuelle Eindrücke wie Farben, Formen und Kompositionen hervorgerufen werden. Diese Reaktionen sind meist unbewusst und spiegeln eine subjektive Wahrnehmung des Designs wider, die den Betrachter berühren oder überraschen kann. Die positive emotionale Wirkung eines Designs ist häufig der erste Schritt, der den Betrachter dazu anregt, sich mit dem Design weiter auseinanderzusetzen. Sie kann einen Eindruck hinterlassen, der sich tief im Gedächtnis der Menschen verankert.
Kognitive Wirkung: Sie bezieht sich auf die intellektuelle Auseinandersetzung mit einem Design. Hier geht es weniger um spontane Gefühle, sondern um den Prozess des Verstehens und des Interpretierens von Zeichen und Symbolen. Ein Design kann den Betrachter zu einer Reflexion über bestimmte Themen oder Konzepte anregen und damit zu einer intensiven und tiefen kognitiven Verarbeitung führen. Die kognitive Wirkung ist besonders dann stark, wenn das Design nicht nur oberflächlich zu verstehen ist, sondern den Betrachter dazu einlädt, Verbindungen zwischen verschiedenen Elementen herzustellen und Bedeutungsebenen zu entschlüsseln.
Visuell-transgressive Wirkung: Designer nutzten gezielt visuelle Elemente und Strukturen, um ein stärkeres Verständnis und eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Design zu fördern. Welche Parameter verändert werden müssen, um die Wirkung positiv zu beeinflussen, wird methodisch ermittelt. Die transgressive Wirkung ist multiplen Ursprungs: sie kann auf historisch gewachsene Symbolwirkungen, kulturell verankerte Konnotationen oder experimentelle Formen zurückgeführt werden.
Innovation statt Reproduktion: Mehrwert durch Originalität
Innovation im Design bedeutet, den Status quo zu hinterfragen und neue Perspektiven zu eröffnen, anstatt sich auf bloße Reproduktion oder die Neuordnung bestehender Elemente zu beschränken. Während reproduzierende Ansätze pragmatische Lösungen hervorbringen, liegt der Wert echter Innovation bei originellen oft unkonventionellen Ansätzen, die bestehende Grenzen verschieben. Iterative Prozesse und Methoden aus dem Design Thinking fördern diesen Ansatz. Werkzeuge wie der Morphologische Kasten eröffnen durch die systematische Zerlegung von Problemen in ihre wesentlichen Parameter vielfältige Lösungsansätze. Design-Challenges fördern durch gezielte Einschränkungen wie begrenzte Ressourcen oder ungewöhnliche Materialien kreative Denkprozesse. In innovativen Designprozessen werden Lösungen geschaffen, die nicht nur Trends aufgreifen, sondern zukunftsweisend sind. Technischer Anspruch trifft auf visuelles Design
Interdisziplinäre Kollaboration bringt Herausforderungen mit sich. Die Zusammenarbeit erfordert ein gemeinsames Vokabulars, zum Beispiel aus Design und Informatik. Im Design stehen visuelle Gestaltung und Kommunikation im Fokus, während technische Disziplinen auf Codierung und Geräte konzentriert sind. Hier sind auch abweichende Generationeninteressen spürbar: Begriffe, die traditionell innerhalb einer Disziplin genutzt wurden, werden auf Bezugsdisziplinen angewandt und erweitern ihre Bedeutung. Das erfordert eine achtsame Verwendung des Fachvokabulars, insbesondere bei generationenübergreifenden Projektteams. Solche unterschiedlichen Perspektiven können eine integrative Vermittlung erfordern. Neue Berufsbilder vereinen verschiedene Anschauungen, zum Beispiel im UX-Design Informatik mit Design. Beide Disziplinen legen Wert auf iterative Projektentwicklung, Nutzerorientierung und interdisziplinäre Zusammenarbeit, unterscheiden sich jedoch in ihrer Herangehensweise an visuelle und technische Herausforderungen. Die bei digitalen Systemen notwendige Entwicklung von Informationsarchitekturen, die sowohl strukturell als auch gestalterisch durchdacht sein müssen, unterstreicht diesen Ansatz.
Visuelle Grundlagen und Ästhetik: Funktionalität durch Schönheit
Wirkungsvolle Methoden für die Entwicklung von Designs bieten die visuellen Grundlagen: Formen strukturieren Inhalte, schaffen Orientierung und lenken, neben Farben und Rastern, die Aufmerksamkeit. Farben lösen durch harmonische oder unharmonische Wirkungen Emotionen aus, können zielgerichtet Inhalte hierarchisieren, in den Vordergrund rücken oder unwichtig erscheinen lassen und Orientierung erleichtern. Typografie liefert Argumente für unverwechselbare Auftritte, gute Hierarchien und Lesbarkeit, während Raster und Rastersysteme die Entwicklung von Konsistenz und Flexibilität in adaptiven und responsiven Layouts sichern, indem sie die Inhalte zum Beispiel an verschiedene Bildschirmgrößen anpassen ohne die notwendige visuelle Identität einer Publikatin oder Marke aufzugeben. Richtig eingesetzt sorgen Erkenntnisse und Leitsätze der visuellen Kommunikation dafür, dass digitale Produkte sowohl funktional als auch ästhetisch und emotional ansprechend sind. Zudem unterstützen sie Barrierefreiheit, die nicht nur technische, sondern auch visuelle Herausforderungen an die Entwicklung stellt, wie etwa die Verwendung kontrastreicher Farben, klarer Schriftarten und geeigneter Größen.
Die Ästhetik eines digitalen Systems ist weit mehr als Dekoration: Sie unterstützt die Ziele von Effektivität, Effizienz und Zufriedenheit. Ein Design, das visuell ansprechend ist, wird eher genutzt und bleibt länger im Gedächtnis der Nutzerinnen und Nutzer. Dies unterstreicht die Verbindung zwischen dem Schönen und dem Wirkungsvollen im Design.
Fazit: Der Mensch und das Schöne im Mittelpunkt
Design digitaler Systeme verbindet Disziplinen aus Technik, Gestaltung, Psychologie und Soziologie. Alle damit verbundenen Prozesse stellen Menschen in den Mittelpunkt: von der Analyse des Nutzungskontextes über die Gestaltung barrierefreier Interfaces bis hin zur stilistischen Ausrichtung und ästhetischen Optimierung digitaler Produkte.
Gutes Designs erwächst aus der Fähigkeit, technologische Innovationen mit den Bedürfnissen und Erwartungen der Menschen, ästhetischen Asprüchen sowie Normen und Gesetzen in Einklang zu bringen. Der gezielte Einsatz visueller Stile und Grundlagen spielt dabei eine zentrale Rolle. Durchdachtes grafisches Design trägt nicht nur zur Benutzerfreundlichkeit, sondern auch zur emotionalen Bindung bei. Das Schöne ist das Wirkungsvolle – und damit ein unverzichtbarer Bestandteil eines erfolgreichen Designs.