Systemik. Komposition. Ästhetik.

Makrogestaltung bei visuellen Medien: Konzepte der Ordnung, Gliederung, Anordnung und Dramaturgie. Semantische und syntaktische Dimensionen bei der Entwicklung analoger und digitaler Kommunikation.

Der Zugang zu Information hat immer eine semantische und eine syntaktische Dimension, ist einerseits vom Inhalt des Mediums bestimmt und andererseits von formalen Rahmenbedingungen, die sich von Technologie und Design ableiten. So hängt die Wirkung eines Mediums über die präsentierten Inhalte hinaus von den eingesetzten Gestaltungsmitteln und -prinzipien ab. Übergeordnete Gestaltungsparameter werden durch visuelle Hierarchien und daraus resultierenden Einteilungsrastern definiert. Deren strikte Anwendung unterstützt die Identität eines Mediums und erleichtert die Kommunikation. Je konsistenter diese Richtlinien angewendet werden, desto seriöser und glaubwürdiger kann eine Medienlösung wirken. Gute Gestaltungsraster sind auf die zu kommunizierenden Inhalte abgestimmt, beispielsweise in Textstruktur, Hierarchien und Bildformaten.

Orientierung im medialen Umfeld fällt immer dann leicht, wenn die Nutzenden nicht von den primären Kommunikationszielen abgelenkt werden. Damit ist visuelle Gestaltung Mittel zum Zweck einer bewussten Mitteilung wesentlicher Information. Innerhalb einer ständig wachsenden Informationsdichte kann durch gute visuelle Kommunikation Orientierung angeboten werden. Durch Design, und das schließt auch Mikrogestaltung ein, die feine Abstimmung bei Farben, Linien und Größen in engerem Rahmen, können unbewusste und frühe Wahrnehmungsebenen erreicht werden, die subtil durch Qualität, Ordnung und damit verbunden ästhetische Gestaltung angesprochen werden. Dabei können Gestaltungsmittel objektiv, subjektiv oder manipulativ eingesetzt werden. Um bestimmte Ziele zu erreichen werden in der Praxis Mediennutzer in vielen Fällen in ihrer Kommunikationsabsicht unterstützt, manchmal auch bewusst desorientiert und irregeführt.

Die Betrachtung von Aspekten der Systemik in der Gestaltung allgemein und insbesondere der Makrotypografie (systemische Typografie) bietet auch Grundlage für die Entwicklung von Navigations- und Orientierungskonzepten, wie sie zum Beispiel als visuell orientierte Steuerungsmodule für komplexe Informationsstrukturen oder einfacheren Bedienelementen grafischer Medien Verwendung finden (Ausblick auf Vorlesung 06).

Mediale Ordnungskonzepte gehen auf Erkenntnisse aus Gestaltpsychologie und Kognitionspsychologie zurück: Die Gestaltpsychologie untersucht Phänomene der visuellen Wahrnehmung und beschreibt Wahrnehmung als kreativen Prozess. Die Kognitionspsychologie beschäftigt sich mit der Frage, warum wir die Dinge so sehen wie sie sind. Beispielhaft werden Gestaltgesetze und Konstanzphänomene diskutiert und auf Medienlösungen bezogen (Anknüpfung an Vorlesung 02). Mediale Störungen werden als dramaturgische Gestaltungsmittel herausgestellt. Sie stellen eine Abweichung von der Regel dar und können die Aufmerksamkeit steigern (Ausblick Vorlesung 07).

Systemische Kompositionen gehen auf ästhetische und technologische medienimmanente Strukturen zurück. Immer geht es um Gliederung, Anordnung und Betonung innerhalb eines Formates. Historisch gewachsene Ordnungsstrukturen wie der Goldene Schnitt werden mit aktuellen Bildschirmproportionen wie 16zu9 kontextualisiert. Die Gestaltung medialer Oberflächen wird neben der semantischen Struktur von technischen, ökonomischen, funktionalen und ästhetischen Erfordernissen bestimmt. Die Maße einzelner Elemente können so aufeinander abgestimmt sein, dass sie wie in einem Baukasten frei und beliebig kombinierbar sind, und zwar so, wie die gewünschte mediale Dramaturgie es erfordert.

Ästhetik ist die Wissenschaft vom Schönen, vom sinnlich Wahrnehm­baren, von einer Sinn-Erkenntnis aus der natürlichen Schönheit der Dinge heraus. Somit ist Ästhetik – neben anderen Definitionen – die Lehre von der Gesetzmäßigkeit und Harmonie in Natur und Kunst. Ästhetisches ist wahrnehmbar stilvoll-schön, geschmackvoll und ansprechend. Visuell-kommunikative Ästhetik betont die sinn­lich auffassbaren Strukturen eines Mediums. In der visuellen Gestaltung führt visuell logisches Vorgehen in der Regel zu ästhetischen Ergebnissen. Schön und gefällig wirkende Medienprodukte werden vom Rezipienten als ästhetisch beschrieben. Anhand zahlreicher Beispiele von historischen und aktuellen, analogen und digitalen Medienlösungen, werden im Verlauf der Vorlesung für aktuelle und anstehende Entwicklungen von visuell logischen Designlösungen Möglichkeiten aufgezeigt und Denkanstöße gegeben.

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